Was, wenn es keinen Krieg gegeben hätte? I 42
Wie wäre es, wenn unsere Vorfahren keinen Krieg erlebt hätten, wenn es den Holocaust nicht gegeben hätte? Wenn wir vollkommen frei wären von Kriegstraumata, Trauer- und Schuldgefühlen, selbst erlebten und transgenerational übertragenen? Wie sähen unseren Leben aus, unsere Familien, Partnerschaften, Berufskarrieren? Unsere Gesellschaft? Es ist nicht allzu verwegen, wenn ich behaupte: sehr, sehr anders. Gesünder, entspannter, kooperativer, gelassener, freundlicher. So also, wie sich die allermeisten von uns ihr Leben wünschen. Wir haben natürlich erlebt, ja erlitten, wie sich stattdessen das dunkle Erbe der deutschen Geschichte und die belasteten Gefühlserbschaften unserer Familien zwischen uns und unser Ideal von einem guten Leben gestellt haben. Das ist kein Grund dafür, dieses Ideal zu verabschieden, finde ich. Die Frage, die mich seit langem bewegt: Wie können wir es dennoch erreichen – trotz und im Angesicht dieser Gefühlserbschaften? Dazu möchte ich ein paar Gedanken und Erfahrungen, auch sehr persönliche, mit euch teilen. Die Geschichte meiner Familie und meine Auseinandersetzung damit. Und all das anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes, der uns zeigt, warum es so bedeutsam ist, die Gefühlserbschaften zu entschlüsseln – und die Erinnerung wach zu halten.