#15 Ols Weidmann & Wolfgang Richter – Zeitzeugen der rassistischen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen 1992
In diesen Tagen jähren sich zum 33. Mal die rassistischen Pogrome, die vom 22. bis 26.8.1992 in Rostock-Lichtenhagen stattfanden. Jugendliche und organisierte Neonazis warfen Steine und Molotowcocktails auf die Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für Vietnamesen, Anwohner applaudierten. Nur sehr wenige Leute aus Rostock stellten sich diesem Mob entgegen und versuchten, die Menschen in den Häusern zu schützen. Meine beiden heutigen Gäste gehören zu diesen wenigen Menschen.
„Man ist damals ohne Bewaffnung eigentlich kaum auf die Straße gegangen“: Ols Weidmann ist einer von ihnen, wir kennen uns seit vielen Jahren. Die ersten Male habe ich ihn persönlich erlebt, als er bei Veranstaltungen anlässlich des Gedenkens zu den Pogromen als Zeitzeuge auftrat. Ols ist Ende der 60er in Rostock geboren und aufgewachsen. Er war einer der Leute, die zeitweise mit in dem attackierten „Sonnenblumenhochhaus“ waren. Dort versuchte er, Widerstand zu organisieren, und dokumentierte zusammen mit den Bewohnern und Bewohnerinnen des Hauses diese Tage mit einer Kamera. Daraus entstand der Film „The Truth Lies in Rostock“.
„Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten seien nicht auszuschließen“: Dies schrieb mein zweiter Gast Wolfgang Richter schon lange, bevor die Situation in Lichtenhagen völlig eskalierte. Ihn kannte ich bisher größtenteils nur aus dem Fernsehen und Internet. Er wurde 1956 geboren, war Lehrer für Geographie und Geschichte und ab Anfang Mai 1991 Ausländerbeauftragter der Stadt Rostock. Auch er erlebte die Angriffe in den Häusern. In unzähligen Dokus, Büchern, Interviews und Artikeln taucht er immer wieder als einer der wenigen öffentlich auftretenden Zeitzeugen auf. Er bekam viele Auszeichnungen, und er erhielt vor mehreren Jahren auch das Bundesverdienstkreuz.
Bis heute sind die beiden an vielen Gedenk- und Aufarbeitungsprojekten beteiligt.
Ich bedanke mich bei Ols und Wolfgang, dass sie sich die Zeit für dieses intensive und wichtige Gespräch genommen haben.
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#14 Gunnar – Dritte Wahl
Mein heutiger Gast ist Gunnar Schröder. Er ist der Sänger von Dritte Wahl, einer der bekanntesten Punkrockbands in Deutschland.
Bei ganz wenigen Bands aus dem Punkrock würde ich behaupten, dass sie mich ernsthaft geprägt haben; bei Dritte Wahl ist es jedoch der Fall. Immer wenn es in Rostock „Fußball und Gesang“ hieß, freute ich mich den Arsch ab, denn das bedeutete, dass Hansa-Fans wieder ihr jährliches Event organisierten, bei dem Dritte Wahl oftmals den Headliner gaben. Wir quatschten darüber, wie es war, in der DDR eine Punkband zu gründen, Anfang der 90er als Streetworker in Rostock zu arbeiten und darüber, einen guten Freund und Bandmitglied an den Krebs zu verlieren. Aber es ging auch darum, weiterzumachen, obwohl man ausgebrannt ist; auf Kuba eine Tour zu spielen. Und dann gibt es noch die Geschichte, dass wir mit Feine Sahne mal als Vorband für Dritte Wahl spielten und aufgrund von massivem Pyrotechnikeinsatz der komplette Saal geleert werden musste, sodass das Konzert auf der Kippe stand.
Der 19-jährige Monchi hätte sich das nicht vorstellen können. Einfach mal mit den Typen von Dritte Wahl am Rostocker Hafen treffen und quatschen … Umso schöner, dass es jetzt so ist. Viel Spaß mit der Folge!
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#13 Gabriel Kelly
Mein nächster Gast ist Gabriel Jerome Kelly. Gabriel und ich sind uns das erste Mal bei der „NDR-Talkshow“ über den Weg gelaufen. Als ich hörte, dass da einer von der Kelly Family mit mir am Tisch sitzen wird, musste ich erstmal schmunzeln. Ich hatte unzählige billige Klischees im Kopf, dachte, da läuft bestimmt so ein Hippie auf, mit dem ich mich überhaupt nicht verstehe; aber genau das Gegenteil war der Fall. Das einzige Klischee, das sich bestätigt hat: „Alle von den Kellys haben lange Haare“. Ich fand ihn mehr als sympathisch, schlagfertig und als er mich in der Sendung leicht ironisch fragte, ob ich „Stress“ will, hatte er mein Herz erobert. Zudem wohnt er überraschenderweise in Mecklenburg-Vorpommern, nur eine halbe Stunde von mir entfernt.
Ein paar Wochen später saßen wir dann anlässlich der ersten Livefolge meines Podcasts „Weil’s jeden Tag brennt“ zusammen bei der Warnemünder Woche und quatschten über Schwarzarbeit, über seine Zeit als Straßenkünstler in Warnemünde, über den Tod und darüber, wie es ist, wenn man das erste Mal checkt, dass der Vater ein Rockstar ist. Darüber hinaus sprachen wir darüber, wie es ist, das gesangliche schwarze Schaf der Familie zu sein und trotzdem ein eigenes Album aufzunehmen, über die familiären Kontakte der Kelly Family zum Punkrock und über Schlägereien seiner Onkels in den 90ern mit Faschos, die nicht damit rechneten, dass „Hippies wie die Kellys“ auch gute Kneipenschläger sein können.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Hören.
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#12 Feine Sahne Fischfilet
Was waren das für verrückte Wochen für uns!
Seit der Albumveröffentlichung herrscht bei uns durchgehend Alarm. Und jetzt stehen wir kurz vor unserem bisher größten eigenen Konzert: über 16.000 Menschen, längst ausverkauft, in wenigen Tagen in der Berliner Wuhlheide. Ich finde, das ist der richtige Moment, um mich an die Menschen zu wenden, mit denen ich in den letzten Monaten und Jahren am meisten Zeit verbracht habe – meine Bandkollegen und Freunde von Feine Sahne Fischfilet.
Wir hatten euch gebeten, uns eure Fragen zu schicken – vielen Dank für die zahlreichen Einsendungen!
Hier versuchen wir, sie zu beantworten und euch mitzunehmen auf unsere wilde Reise der letzten Zeit.
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#11 Philipp "Philsen" Hoppen – Musikproduzent
Philsen ist nicht nur einer der erfolgreichsten Musikproduzenten Deutschlands, sondern auch der Produzent unserer beiden letzten Alben.
Nachdem wir mit unserer neuen Platte auf Platz 1 der Charts gelandet sind und immer mehr Leute uns schreiben, wie sehr sie das Album lieben, war klar: Unser Produzent ist der perfekte nächste Gast.
Philsen wurde am 2. September 1979 in Lübeck geboren. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er in einem niedersächsischen Dorf in der Nähe von Hameln. Nachdem er mehrmals sitzen geblieben war und lieber kiffte als lernte, schmiss er mit 18 die Schule. Er begann eine Tischlerlehre, landete dann aber eher zufällig in einem Hamburger Musikstudio. Dort war er zunächst Praktikant – holte nachts Gummibärchen für Udo Lindenberg – und entdeckte dabei immer mehr seine Liebe zur Musikproduktion.
Ob 50 Cent oder Rosenstolz: In dem Studio gingen die unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstler ein und aus.
Dort entstand auch sein Wunsch, selbst Musikproduzent zu werden. Seinen Durchbruch feierte er als Co-Produzent und Mixer mit dem Song „Junge“ von Die Ärzte. In den Jahren danach arbeitete er als Produzent oder Mixer mit unzähligen Acts zusammen – darunter Marteria, Kraftklub, K.I.Z, Miss Platnum, Deichkind und viele mehr.
Zwischen Dauerrausch, Erfolg und Burnout hat Philsen so ziemlich alles mitgenommen. Und er war – wie gesagt – auch der Produzent unseres neuen Albums. Ein Mensch, der uns als Band sehr ans Herz gewachsen ist.
Heute haben wir uns mit ihm verabredet. Er lebt mit seiner Familie in einem brandenburgischen Dorf. In drei Wochen erscheint unsere neue Platte – höchste Zeit also, sich noch einmal zu treffen, zu quatschen, zu grillen. Und: uns gemeinsam von Jan Brenneisen, einem der besten Tätowierer Rostocks, ein „Wir kommen in Frieden“-Albumtattoo stechen zu lassen.
Während die anderen gerade unter der Nadel liegen oder am Grill stehen, haben wir uns entschieden, spontan eine neue Folge von „Weil’s jeden Tag brennt“ aufzunehmen. Darüber freue ich mich sehr und sage:
„Hallo Philsen, schön, dass du Bock auf dein erstes Mal im Podcast hast.“
Über Weil´s jeden Tag brennt – mit Monchi von Feine Sahne Fischfilet
Lange Zeit habe ich überhaupt keine Podcasts gehört. Dann fand ich mich aber plötzlich selbst immer häufiger in solchen Formaten: Gespräche über mein Buch, zum neuen Album. Mir wurde klar, was das Geile daran ist: Dass es in die Tiefe gehen kann, dass man aber auch mal dumm labern kann, ohne dass ein einzelner Satz aus dem Kontext gerissen wird. Irgendwann war klar: Als nächstes kein neues Buch schreiben – ich habe Bock einen eigenen Podcast zu machen!
Ich möchte mit Leuten reden, die genau das Gefühl von „Weil´s jeden Tag brennt“ kennen. Die selbst brennen und machen, statt nur zu quatschen. Über Themen, die mich bewegen, Tagesaktuelles oder ganz einfach Sachen, die ich mir von der Seele labern möchte. Mal über Feine Sahne schnacken. Es wird persönlich, aber auch politisch. Ich möchte mit Personen ins Gespräch kommen, mit denen ich auch im Alltag sprechen würde. Mit denen ich in der Kneipe reden, lachen und streiten kann. Ich will auch Leute kapieren, die ich manchmal nicht kapiere. Weil sie vielleicht für irgendwas brennen, was ich nicht verstehe. Von hart bis herzlich wird hoffentlich alles an Menschen dabei sein. Dafür stehe ich mit meinen guten/schlechten Ruf.
Jan »Monchi« Gorkow ist Sänger von Feine Sahne Fischfilet, einem gemeinsamen Projekt einer Gruppe von Freunden aus Mecklenburg-Vorpommern, die Bock hatten, was zu machen. Gegen die Lethargie und den oftmals lähmenden Trott in den ländlichen Gebieten ihrer Heimat. Mindestens ebenso wichtig wie die Musik war die politische Haltung: klare Kante gegen rechts und gegen die Tristesse der Provinz. Die nächsten 18 Jahre waren Feine Sahne Fischfilet immer unterwegs, spielten in Jugendzentren, besetzten Häusern, Clubs, auf immer größeren Festivals, nahmen Alben auf, stets auf der Überholspur, unerschrocken und mit maximaler Energie. Sie gründeten mit »Wasted In Jarmen« ihr eigenes Festival, engagierten sich unermüdlich, wurden dabei eher aus Versehen immer erfolgreicher. Ihr letztes Album „Alles glänzt“ veröffentlichte die Band erstmals auf ihrem eigenen Label, landete damit direkt auf Platz drei der Charts, nachdem Monchi davor noch sein erstes Buch »Niemals satt – Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage« veröffentlichte (und damit völlig unerwartet auf Platz 1 der Spiegel Bestseller-Liste landete).
Produktion: Peter Schade
Recording: Hauke Segert